Sep 15, 2020 | Internationale Zahlungen

Wieso die Inflationsdebatte erneut Fahrt aufnimmt

Geschrieben von: Boris Kovacevic – Makro- und Währungsanalyst I Western Union Business Solutions

Wie berechtigt sind die Inflationssorgen?

Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. Eines der wohl bekanntesten Postulate der geldpolitischen Theorie verzeichnet vor dem Hintergrund rapide steigender Geldmengen und Liquiditätsspritzen einen erneuten Bedeutungsanstieg. Die von Milton Friedman in den 1950er Jahren aufgestellte Theorie kommt aufgrund demografischer und technologischer Entwicklungen und Fallbeispielen wie Japan zunehmend unter Druck. Unumstritten ist jedoch, dass die krisenbedingte Einführung der Geldpolitik 3.0 und das Erreichen der „Zinsuntergrenze“ Zentralbanken in eine unerforschte neue Ära führen, welche mehr Fragen als Antworten aufwirft. Divergierende Faktoren und der einzigartige Charakter der Krise lassen eine einfache Antwort auf die Frage, ob ein Inflationsanstieg imminent erscheint, nicht zu. Was gesagt werden kann, ist das ein Szenario steigender Preise nachhaltige makroökonomische und währungsspezifische Implikationen mit sich bringen würde. Ein möglicher Übergang von der momentanen Deflation in die zukünftige Inflation ist nach COVID-19 jedoch beinahe unumgänglich an eine Erholung der globalen Konjunktur und der Konsumnachfrage gebunden.

 

Quelle: http://policyuncertainty.com/bbd_monetary.html, Western Union Business Solutions, September 2020

Von der Deflation in die Inflation

Die Weltkonjunktur taucht derzeit aus dem größten Abschwung der modernen Wirtschaftsgeschichte auf. Eine historische Betrachtungsweise und der kurzfristig deflationäre Charakter der Coronakrise machen relativ schnell deutlich, dass ein Anstieg der Inflation nicht auftritt, wenn sich die globale Wirtschaftsaktivität im Abschwung befindet. Erhöhte Arbeitslosen- und Sparquoten und ungenützte Kapazitäten sprechen allesamt gegen einen unmittelbaren Anstieg der Inflation.  Auch die  rekordniedrige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes – die Häufigkeit, mit welcher das Geld im System innerhalb eines Jahres im Durchschnitt umgesetzt wird – ist massiv im Laufe der Krise zurückgegangen. Diese Wirkungseffekte spiegeln sich auch in den jüngsten Inflationsdaten wider, zumal der europäische Verbraucherpreisindex im August zum ersten Mal seit 2016 in den negativen Bereich gefallen war.

Quelle: Refinitiv, Western Union Business Solutions, September 2020; Notiz: G3-Nationen definiert als die Eurozone, USA und Japan

Wie nach jeder Krise gibt es jedoch Hoffnung. Diesmal in Form von 15 Billionen US-Dollar - das ist die geschätzte Summe an zur Verfügung gestellten und zugesagten Anreizen der Regierungen und Zentralbanken der G10-Nationen und China. Eine Geldmengenausweitung ist zwar eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung, um einen Inflationsanstieg zu erzielen. Insbesondere, wenn die Liquidität ihren Weg nicht in die Realwirtschaft findet. Nichtsdestotrotz scheinen wenige Zweifel über die verstärkende Wirkung der Geldmengenausweitung auf das Preisniveau zu bestehen. Mit der Ausdehnung des Analysebereichs von der kurzen auf die lange Sichtweise wachsen somit die Prognoseunsicherheiten und der Bedarf einer Absicherung gegen einen potenziellen Preisanstieg. Auch die allgemein erkennbare und jüngst in den Vereinigten Staaten verbal ausformulierte Präferenz, die Teuerungsrate über die 2-Prozent-Marke laufen zu lassen, lässt die verloren geglaubte Inflationsdebatte wieder aufkochen. Regierungen würden sich über einen mittelfristigen Anstieg der Teuerungsrate wohl ebenfalls nicht beschweren, zumal die im Laufe der Coronakrise aufgenommenen Schulden dadurch an Wert verlieren würden. Der Bedeutungsgewinn der Thematik außerhalb der Akademie spiegelt sich in den jüngsten Kapitalbewegungen an den Märkten wider. Die Nachfrage nach inflationsgeschützten Staatsanleihen erlebt eine Rückkehr und lässt die fünf- und zehnjährigen Inflationserwartungen in den meisten Teilen der entwickelten Welt nach oben treiben. Ein potenzieller Liquiditätsüberschuss könnte den Währungshütern Probleme bereiten, zumal sich Zinsstraffungen von nun an schwieriger gestalten werden. Die enge Zusammenarbeit der Notenbanken mit den nationalen Regierungen verschärft die Lage, da die Kooperation zwischen der Geld- und Fiskalpolitik den Intermediär – die Finanzmärkte – auslässt, um dem Konsumenten direkt Geld in die Hand zu drücken.

Quelle: Refinitiv, Western Union Business Solutions, September 2020; Notiz: Verbraucherpreisindex, nicht saison-bereinigt, jährliche Veränderung in Prozent

Neben der globalen Nachfrage, welche einen großen Einfluss auf die Inflationsentwicklung ausübt, dürfen angebotsseitige Thematiken nicht vernachlässigt werden. Insbesondere nach Wirtschaftskrisen tendieren politische Entscheidungsträger dazu, nach innen gerichtete Handelspraktiken zu implementieren. Eine protektionistische Handelsrhetorik, die mit dem amerikanisch-chinesischen Handelskrieg an Bedeutung gewonnen hat, wird auch nach den US-Präsidentschaftswahlen im November wohl kaum beigelegt werden. Dies könnte die Konjunkturerholung und den Welthandel erheblich dämpfen, was einen deflationären Effekt zum Tragen hätte. Auf der anderen Seite könnten die Versuche diverser Industriestaaten, ihre Abhängigkeit von China zu minimieren, in Lieferkettenumwälzungen münden, welche kurz- und mittelfristig höhere Importpreise zur Folge hätten. Dass der globalen Wirtschaftsaktivität dabei der Wind aus den Segeln genommen wird, erschwert die Analyse des endgültigen Effekts auf die Preisentwicklung. Die bestehende Ungewissheit über diverse wirtschaftliche und geopolitische Faktoren wird uns somit wohl auch ins nächste Jahr begleiten.

Was der Euro mit der Sache zu tun hat

Welche Rolle nimmt die Gemeinschaftswährung in der geführten Inflationsdiskussion ein? Ab einem gewissen Zeitpunkt wird sich die europäische Notenbank die Frage stellen müssen, mit welchen Implikationen weitere Aufwertungen der Gemeinschaftswährung einhergehen. Die mögliche Reduktion der Konkurrenzfähigkeit der Binnenwirtschaft scheint angesichts des schwachen Welthandelsvolumens noch keine Rolle zu spielen. Der zweite relevante Faktor liegt in der Beziehung  zwischen dem Euro und der Inflation. Ein stärkerer Wechselkurs könnte aus theoretischer Sicht zu günstigeren Importen führen und somit deflationär auf die Preise innerhalb der Eurozone wirken. Dieser Zusammenhang wird jedoch zunehmend hinterfragt, wie auch von dem deutschen Mitglied des EZB-Direktoriums, Isabel Schnabel.

Zum ersten Mal seit der Aufwertung des Währungspaares auf ein 2-Jahres-Hoch knapp über $1,20 meldete sich ebenfalls der Chefökonom der Notenbank zu Wort. Philip Lane bestätigte die Annahme, dass der Wechselkurs für die Geldpolitik sehr wohl eine Rolle spielen würde. Marktteilnehmer spekulieren auf eine Ausweitung des Staatsanleihenkaufprogramms und sehen jegliche Kommentare bezüglich des aufwertenden Euro als erste Anzeichen einer „verbalen Intervention“ seitens der europäischen Notenbank. Großen Spielraum haben die Währungshüter jedoch nicht. Mit dem Leitzins auf Rekordtiefen und einer aufgeblähten Bilanz könnte die EZB relativ wenig tun, um dem Euro entgegenzuwirken. Nichtsdestotrotz scheinen verbale Mittel, wie zuletzt bei der Rede des Chefökonomen der EZB zu erkennen, zumindest kurzfristig Einfluss auf die Währung zu nehmen.

Eine fixierte rote Linie für eine Intervention seitens der Notenbank gibt es nicht, obwohl ein historisches Beispiel aus dem Jahr 2017 zumindest Spekulationen offen lässt. Nach dem Wahlsieg des französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, wurde eine eurofreundliche Atmosphäre geschaffen, welche die Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar in Richtung $1,20 ziehen konnte. Im Verlauf der späteren Wochen und Monate folgten mahnende Worte der europäischen Währungshüter über die negativen Implikationen eines zu hohen Wechselkurses. Zufälligerweise liegt um dieses Niveau die 12-jährliche Abwärtstrendlinie des Währungspaares EUR/USD, was die $1,20 umso wichtiger in den Augen der Währungshüter und Investoren erscheinen lässt. Ein Ausbruch jenseits der psychologischen Barriere könnte den jüngsten Aufwärtstrend untermauern und Luft nach oben schaffen. Wiederholte technische Rücksetzer würden Investoren jedoch  deutlich machen, dass die kurz- bis mittelfristigen Risiken zu groß erscheinen, um der Gemeinschaftswährung einen weiteren Vormarsch zu gewähren.

Quelle: Refinitiv, Western Union Business Solutions, September 2020

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