Jun 15, 2020 | Internationale Strategien

Afrikanischer Wirtschaftsausblick

 

Der Kontinent nach Covid-19 

von Boris Kovacevic, Currency Analyst - Central- and Eastern Europe l Global Content

                                  

Die globale Perspektive – Die Annahme einer wirtschaftlichen Erholung

Die Covid-19 Pandemie und die im Rahmen der Krisenbekämpfung eingesetzten staatlichen Sperrmaßnahmen haben dem globalen Handel und der Weltwirtschaft einen erheblichen Rücksetzer verpasst. Nach einigen volatilen Monaten an den Finanzmärkten scheint sich nun jedoch die Hoffnung auf eine Erholung der Konjunktur als eine akzeptierte Arbeitshypothese in den Köpfen der Investoren durchgerungen zu haben. Die jüngste Kräftigung der Börsen wurde jedoch nicht mit einer ebenso beeindruckenden Erholung der wirtschaftlichen Leitindikatoren gefolgt. Vielmehr können die Impulse der Regierungen und Zentralbanken, gekoppelt mit der Reduktion der weltweiten Neuinfektionen, für die jüngste Periode steigender Börsenbewertungen verantwortlich gemacht werden.             

Laut Berechnungen des Internationalen Währungsfonds haben Regierungen weltweit 9 Billionen US-Dollar an direkten und indirekten Mitteln zur Unterstützung der Wirtschaft versprochen oder bereits zur Verfügung gestellt.[1] Im Rahmen der Krisenbekämpfung haben Notenbanken seit Beginn des Jahres 150 Zinsveränderungen vorgenommen. Ganze 97 Prozent der Entscheidungen waren Zinssenkungen.[2] Dies hat den global aggregierten Leitzins auf ein Dekadentief von knapp über 2 Prozent gedrückt.[3]

Quelle: Bank für internationalen Zahlungsverkehr, Western Union Business Solutions – Juni 2020

Den derzeitigen Anlagenbewertungen zufolge scheinen Investoren im Allgemeinen die Hilfsmaßnahmen für ausreichend eingestuft zu haben, um der größten erwarteten Kontraktion der Weltwirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg entgegenzuwirken.[4] Nichtsdestotrotz bleibt diese Annahme und die Hoffnung auf eine rasche ökonomische Erholung auf wackeligen Beinen, was die Enttäuschungsgefahr bei einer Nichterfüllung der Versprechen hoch erscheinen lässt.

Der afrikanische Kontinent – Volkswirtschaft mit globalem Charakter

Jede Analyse, welche sich mit dem kurz- und längerfristigen Wirtschaftsausblick des afrikanischen Kontinents befasst, muss aufgrund der globalen Verflechtung der Lieferketten den Stand der Weltwirtschaft als Basis heranziehen. Die afrikanische Ökonomie ist gesamtheitlich extrovertiert und exportorientiert und somit wie auch alle anderen offenen Volkswirtschaften empfindlich auf externe Schocks.

Der Handel in Afrika hat jedoch einen signifikanten, in anderen Kontinenten nicht erkennbaren, globalen Charakter. Der intra-afrikanische Handel macht laut der United Nations Conference for Trade and Development nur knapp 16 Prozent des gesamten Handels des Kontinents aus.[5] Der Kontinent ist somit Teil der globalen Lieferkette und in den Konjunkturzyklus der Weltwirtschaft eingebaut. Dies gilt in turbulenten und abschwächenden Zeiten als deutliches Abwärtsrisiko, kann im Erholungsprozess nach einer Krise jedoch als Katalysator für rasche Erholungen dienen, je nach Charakter und Ausmaß des Schocks. Die Exportstruktur der Region ist, wie ein Blick auf die jeweiligen Sektoren des Landes zeigt, ebenfalls stark von den globalen Rohstoffpreisen abhängig. Im Jahr 2018 wurde Rohmaterial im Wert von knapp 140 Milliarden US-Dollar aus Sub-Sahara Afrika exportiert, was mehr als die Hälfte aller Exporte der Region ausgemacht hat. China hat sich in den vergangenen Jahren als der größte Handelspartner der Region etabliert und gilt als Empfänger von 13 Prozent der afrikanischen Exporte. [6]

Quelle: African Union Commission,Kalkulationen basierend auf den Daten der Weltbank, WesternUnion Business Solutions – April 2020

  Diese Globalität macht sich nicht nur in den Handelsdaten bemerkbar. Für 15 der afrikanischen Länder machen Einnahmen aus der Tourismusbranche mehr als 10 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus.[7] Laut der Weltbank repräsentieren die fünf größten Volkswirtschaften Afrikas knapp 60 Prozent der Wirtschaftsaktivität der Region. In jedem der fünf Länder (Nigeria, Südafrika, Ägypten, Algerien, Marokko) machen die Einnahmen aus dem Tourismus und den Petroleumexporten über 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.[8] Trotz der jüngsten zum Teil erfolgreichen Versuche der Diversifizierung – erkenntlich in der Reduktion des Hirschman Herfindahl Marktkonzentrationsindizes – bleibt der Kontinent stark sektorabhängig.

Welche Folgen diese Dependenz in Krisenjahren haben kann, zeigen exemplarisch die globale Finanzkrise im Jahr 2009 und der Preisschock am Rohstoffmarkt im Jahr 2014. In den fünf Jahren vor der Finanzkrise ist die Wirtschaft von Sub-Sahara Afrika im Durchschnitt um knapp sechs Prozent gewachsen. In den Jahren zwischen 2010 und 2014 um fünf Prozent. Ab dem Jahr 2015 lag die reale Wachstumsrate angesichts mehrheitlich externer Faktoren bei nur noch 2,7 Prozent.[9] Ein laut der Weltbank stark dazu beitragender Faktor kann in der Abkühlung der globalen Nachfrage nach Rohstoffen und dem pessimistischen Wirtschaftsausblick Chinas gefunden werden. In dem Jahr 2014 verlor der Ölpreis der Sorte Brent knapp die Hälfe seines Wertes.[10] Dies war insbesondere für die ölexportierenden Länder des Kontinents (Nigeria, Angola, Algerien, Libyen und Ägypten) schmerzhaft, zumal für die beiden erstgenannten Länder die Einnahmen aus der Ölbranche mehr als 60 Prozent des jährlichen Staatsbudgets ausmachen.[11] Eine Talfahrt der Rohstoffpreise hat somit unmittelbare Konsequenzen. Laut der nigerianischen Regierung könnte sich der Ertragsverlust auch in diesem Jahr wiederholen und das Staatsbudget angesichts der externen Gegebenheiten um 15 Prozent schrumpfen lassen.[12]

Können die Finanzierungsprobleme kompensiert werden?

Bevor die offene Frage des potenziellen Ausmaßes der Covid-19 Krise auf den afrikanischen Kontinent aufgegriffen werden kann, muss neben dem Aspekt des afrikanischen Handels und der Rohstoffabhängigkeit noch dem finanziellen Sektor Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn obwohl der Kontinent einen blühenden Exportsektor genießt, bleiben die Länder Afrikas größtenteils einem Leistungsbilanzdefizit – Nettoexporte sind geringer als die Nettoimporte – überlassen. Dies bedeutet makroökonomisch, dass die Differenz der beiden Faktoren durch Kapitalzuflüsse gedeckt werden muss.

Der bei Weitem größte Zufluss liegt in den Überweisungen von im Ausland lebenden Gastarbeitern zurück nach Afrika. Die persönlichen Geldzahlungen („Remittances“) machen knapp 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts des Kontinents aus und stehen angesichts der schwachen globalen Nachfrage zunehmend unter Druck.[13] Zahlungsüberweisungen könnten in Afrika laut Kalkulationen der Weltbank um mehr als 20 Prozent sinken. Dies würde insbesondere Länder wie Ägypten, Senegal, Togo, Nigeria und Marokko treffen. In den fünf genannten Ländern macht diese Art von Kapitalzufluss mehr als acht Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus.[14] Die fehlende Lückenfüllung des Leistungsbilanzdefizits durch die Auslandsüberweisung scheint auch keine Erleichterung durch die zweite Finanzierungsart, Ausländische Direktinvestitionen (FDIs), zu erhalten. Laut Schätzungen des UN Conference on Trade and Development (UNCTAD) könnten weltweit getätigte FDIs in diesem und im nächsten Jahr um 30 bis 40 Prozent sinken.[15]

Quelle: Weltbank, Western Union Business Solutions  – Juni 2020

 

Liegt das Schlimmste hinter uns?

Die Kapitalflüsse nach Afrika werden stark von den externen Gegebenheiten abhängen, welche trotz der bislang negativen Prognosen Raum für Revisionen nach oben bieten. Der Ausblick der drei treibenden Wachstumsfaktoren des Kontinents: die Tourismusbranche, der Rohstoffsektor und der finanzielle Zahlungsverkehr, bleibt somit weiterhin von dichten Wolken bedeckt. Und obwohl Auslandsüberweisungen stark von den genannten globalen Faktoren abhängen, zeigen Studien einen starken Einfluss der heimischen Umstände bei der Anziehung von ausländischem Kapital.[16] Vor diesem Hintergrund wird die individuelle Antwort der einzelnen Regierungen eine hohe Bedeutung in den Wachstumsprognosen für die kommenden Monate spielen.

Erste Hoffnungsschimmer haben sich in den vergangenen Wochen an die Oberfläche gekämpft. Laut den Vereinten Nationen gibt der weltweite Tourismussektor erneut Lebenszeichen von sich. Ob Afrika kurzfristig davon profitieren wird, scheint zu diesem Zeitpunkt noch eine offene Frage zu sein, zumal knapp 70 Prozent des Kontinents unter Sperrmaßnahmen steht.[17] An den Rohstoffmärkten haben die jüngsten Stimulusversuche der Regierungen zumindest erste Früchte getragen. Der Ölpreis Sorte Brent konnte sich seit dem Tief am 22. April um 150 Prozent von 16 US-Dollar je Barrel auf knapp über 40 US-Dollar festigen.[18] Der jüngste Optimismus an den Finanzmärkten steht jedoch in starkem Kontrast zu den Prognosen internationaler Institutionen. Nichtsdestotrotz galten die Kapitalzuflüsse nach Afrika – ersichtlich an der Festigung der Staatsanleihen afrikanischer Länder und gesunkener Risikoausfallprämien – als willkommene Abwechslung. Insbesondere in Zeiten der kaum existierenden Rendite in großen Teilen der Welt wie in Europa, Nordamerika und teilweise Ostasien, suchen Investoren immer mehr den Weg in vielversprechende und aufstrebende Ökonomien.

 

Ein Augenmerk auf der makroökonomischen Stabilität

Wenn die mit den Kapitalzuflüssen einhergehende sinkende Schuldenlast für die Verbesserung des Gesundheitssektors und die Infrastruktur verwendet werden kann, könnte dies einen souveränen Ausgangspunkt nach der Krise bilden. Es könnte ebenfalls die Möglichkeiten bieten, die vor der Krise stattgefundenen Diversifizierungsmaßnahmen zu festigen und auszubauen. In dieser Hinsicht muss jedoch trotzdem eine unproduktive Schuldenaufnahme verhindert werden. In den vergangenen Jahren wurde die Schuldentragfähigkeit einiger afrikanischer Länder verstärkt unter die Lupe genommen. Die seit dem Jahr 2013 steigende Schuldenquote und die sich verändernde Zusammensetzung der Schulden bietet Grund zur Sorge. In der Region Sub-Sahara Afrika ist die Schuldenquote (Schuldenanteil am Bruttoinlandsprodukt) in den Jahren von 2010 bis 2018 von 40 auf 60 Prozent gestiegen.[19]

Neben heimischen Verbesserungsmöglichkeiten wird auch die Lage an den globalen Währungsmärkten eine erhöhte Rolle für den Kontinent spielen. Der US-Dollar befindet sich derzeit in einem Wechselspiel zwischen der lockeren Geldpolitik der US-amerikanischen Notenbank und den Anspannungen an der globalen politischen Bühne. Angesichts der steigenden afrikanischen Schulden, welche zunehmend in der US-amerikanischen Währung denominiert sind, wird deutlich, dass die zu tragende Schuldlast von der Bewertung des US-Dollars abhängt. US-Dollar denominierte Schulden von afrikanischen Nicht-finanziellen Unternehmen haben sich im Zeitraum von 2008 bis 2019 verdreifacht und stehen nun bei knapp über 900 Milliarden US-Dollar.[20] Eine nachhaltige Abwertungsbewegung der Leitwährung würde dem afrikanischen Kontinent zugutekommen, wobei erneute politische Anspannungen zwischen China und den USA Aufwertungen des US-Dollars und somit höhere Schulden für Afrika bedeuten würden.

Quelle: Bank für internationalen Zahlungsverkehr, Western Union Business Solutions Kalkulationen – April 2020

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Western Union Business Solutions ist der Firmenkundenbereich des über 168 jährigen Traditionsunternehmens Western Union und ist ein weltweit führender Anbieter von internationalen Geschäftszahlungen und maßgeschneiderten Risikomanagement-lösungen im Devisenbereich. Wir betreuen Kunden aller Größen, von KMUs bis hin zu Großkonzernen und bieten umfangreiche Erfahrung bei der Entwicklung von Fremdwährungsstrategien zur Risikominimierung. Unser Team in Hamburg steht Ihnen als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung, um Sie bei Ihren globalen Finanztransaktionen zu unterstützen. Dies ermöglichen wir durch einen Zugang zu über 130 Währungen, Echtzeitkursen sowie einem, sich über mehr als 200 Ländern erstreckenden, globalen Finanznetzwerk.

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[1] Internationaler Währungsfond: https://blogs.imf.org/2020/05/20/tracking-the-9-trillion-global-fiscal-support-to-fight-covid-19/

[2] Cbrates.com – Juni 2020

[3] Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Western Union Business Solutions Kalkulationen, ungewichteter durchschnittlicher Leitzins der entwickelten Länder – April 2020

[4] Schätzungen der Weltbank: https://www.worldbank.org/en/news/press-release/2020/06/08/covid-19-to-plunge-global-economy-into-worst-recession-since-world-war-ii

[5] United Nations Conference on Trade and Development: https://unctad.org/en/pages/PressRelease.aspx?OriginalVersionID=520

[6] World Integrated Trade Solutions - Sub-Saharan Africa. Data 2018: https://wits.worldbank.org/CountrySnapshot/en/SSF/textview

[7] Bericht der Weltbank – Africa's Pulse, No. 21, Spring 2020 : An Analysis of Issues Shaping Africa’s Economic Future - https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/33541

[8] African Union Commission, Kalkulationen basierend auf den Daten der Weltbank, Western Union Business Solutions – April 2020

[9] Internationaler Währungsfond, Western Union Business Solutions Kalkulationen – April 2020

[10] Refinitiv Daten – Juni 2020

[11] Export.gov, EITI - nigeria extractive industries transparency initiative

[12]https://www.africanews.com/2020/05/06/nigeria-s-oil-revenue-falls-by-80-percent/

[13] Weltbank - https://data.worldbank.org/indicator/BX.TRF.PWKR.DT.GD.ZS

[14] World Bank Report – Africa's Pulse, No. 21, Spring 2020 : An Analysis of Issues Shaping Africa’s Economic Future - https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/33541

[15]https://www.weforum.org/agenda/2020/06/coronavirus-covid19-economics-fdi-investment-united-nations

[16]https://blogs.worldbank.org/developmenttalk/capital-inflows-sub-saharan-africa-different-path

[17]https://news.un.org/en/story/2020/06/1065242

[18] Refinitiv Data – June 2020

[19] World Bank: https://blogs.worldbank.org/africacan/how-much-should-sub-saharan-african-countries-adjust-curb-increase-public-debt

[20] Bank of International Settlement, Western Union Business Solutions Calculations – April 2020

 
 
 
 
 
 
 
 

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